Oder vielleicht doch? Ab wann wurden T-Shirts und Kapuzenpullis mit der Schrift „urban style“ modisch? Kann nur das städtische angesagt oder cool sein? Vielleicht lieber „street wear“, schließlich haben Dörfer und Kleinstädte mindestens auch noch Straßen. Wenn man die europäischen Medien zu den Themen „Land und Dorf“ verfolgt, entsteht ein Gefühl vom „Landuntergang“. Ländliche Räume (zumindest die Mehrheit derer) und die Menschen die dort Leben, sind die Verlierer der Gegenwart und möglicherweise auch der Zukunft. Es wird vielfach geklagt: nur Rentner, kaum Jugendliche, zu wenige Menschen, weit weg von Allem, keine Privatsphäre, fehlende Versorgungsangebote, Internet ist langsam, … Die Menge der Zettel an dieser verstaubten Klagemauer ist geschätzt unendlich. Wer will bitte schön unter diesen Bedingungen heute noch auf dem Land wohnen?
Man sollte das Land sicher nicht idealisieren. Es ist nicht alles wie in den populären Hochglanzmagazinen, aber immerhin leben heute ca. 30 % der Europäer in ländlichen Räumen (EUROSTAT, 2017). Wahrscheinlich leben die überwiegende Mehrheit dieser Menschen sogar sehr gerne in ihren Dörfern und Kleinstädten. Angesichts der Engpässe in urbanen Räumen, sehnen sich auch immer mehr Städter nach einem Leben nahe der Natur und fernab von Abgasen, Konsum, Massenveranstaltungen und Anonymität. Darüber hinaus ist das Land ein fundamentaler Pfeiler der Gesellschaft sowie auch der heutigen städtischen Lebensweise:
Wer (und wo) würde(n) sonst wichtige ökologische Dienstleistungen erbringen? Wer würde uns alle ernähren? Woher kämen wichtige Rohstoffe? Wo würden wir uns erholen? Woher kommen wir selber als „Spezies“ und viele unserer Traditionen und Bräuche?
Diese Zusammenhänge sind uns im Alltag nicht so ganz klar. Es wäre zuletzt vollkommen falsch die Herausforderungen und Probleme in ländlichen Räumen aus einem falsch verstandenen „Aktivismus“ zu relativieren. Diese sind gewaltig und hängen eng mit unserer globalen Wirtschaftsordnung und unserem barbarischen Drang zum unaufhaltsamen Wachstum zusammen.
Jedenfalls bin ich der Meinung, dass wir in dieser Frage – so wie in vielen anderen – einen Umschwung beziehungsweise einen Perspektivenwechsel von den Problemen zu den Lösungen, von den Defiziten zu den Potenzialen brauchen. Wir müssen uns viel länger darüber unterhalten „was alles doch geht“, statt darüber „was wieder nicht geht“. Man muss das Rad nicht neu erfinden, wir können oft von den „Profis“ lernen und uns gute Projekte und Ideen abgucken. Aber wir sind ebenfalls gefordert aktiv und kreativ zu werden.
Dynamik und Lebendigkeit muss in die Dörfer kommen, um die Herausforderungen anzugehen. Wie das geht und warum es Dörfer und Gemeinschaft gibt, die trotz ihres schwierigen Umfeldes sehr erfolgreich sind, ist das Thema meiner Promotion. Zur Dokumentation meiner Erfahrungen in drei erfolgreichen europäischen Dörfern habe ich diesen Blog begonnen.
In diesem Blog möchte ich aber nicht nur meine Erfahrungen in den Dörfern mit dir teilen, sondern dich auch einladen an der Diskussion teilzunehmen. Kennst du ein spannendes Projekt? Was tust du für den Wandel in deinem Ort und welche Herausforderungen begegnen dir dabei? Wie sieht es aus bzgl. ähnlicher Themen in anderen Ecken der Europäischen Union? Welche Erfahrungen hast du in Forschung und Praxis hierzu gemacht?
Schreib mich an, beteilige dich und lass uns gemeinsam mit anderen engagierten Menschen diese Vision für ländliche Räume gestalten.