Die Zügel unserer Entwicklung in der Hand haben – Die „Community Development Trusts“, Teil 1

Wie Dorfgemeinschaften ihre eigene positive und nachhaltige Entwicklung beeinflussen und steuern können, beschäftigt Praktiker, Akademiker und engagierte Dorfbewohner zugleich. In meinem letzten Post kündigte ich an über eine besondere Organisationsform für lokale Entwicklung zu schreiben: die sogenannte „Community Development Trusts“. Das Wort Trust im Deutschen bedeutet „Treuhandsgesellschaft“, was in diesem Fall nur bedingt eine passende Übersetzung darstellt. Vermutlich stellt eine Stiftung ihre beste Äquivalenz im deutschsprachigen Kontext.

Angesichts der finanziellen und organisatorischen Schwierigkeiten kommunaler Verwaltung sowie des generellen staatlichen Rückzugs aus der lokalen Ebene, spielen zivilgesellschaftliche Organisationsformen bei der Aufstellung und Umsetzung von Entwicklungsprojekten sowie für die Erledigung von für die Gemeinschaft wichtige Aufgaben (u.a. Daseinsvorsorgedienstleistungen) eine immer mehr wachsende Rolle. Während meiner professionellen Laufbahn sind mir verschiedene Organisationsbeispiele dieser Art begegnet: engagierte Bürgervereine, gemeinwohlorientierte Stiftungen oder Partnerschaften aus Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wie zum Beispiel die lokalen Aktionsgruppen im Kontext des europäischen Förderprogramms für ländliche Entwicklung LEADER.

In einer Serie von zwei Posts möchte ich ein wenig erläutern wie die Organisation mit der ich in der Praxisphase meiner Doktorarbeit zusammenarbeite eigentlich funktioniert und was sie genau macht. Dafür werde ich in diesem ersten Post euch generelle Einblicke in diese spezielle Organisationsform des englischsprachigen Kontexts gewähren. In einem späteren zweiten Beitrag werde ich einen Blick auf die spannende Historie des „Glendale Gateway Trust“ in Wooler werfen sowie über dessen Tätigkeiten in Glendale berichten. Aufgrund der Verbreitung des Trusts eher im englischsprachigen Kontext, wird diese besondere Organisationsform aus meiner Sicht besonders für die deutsch- und spanischsprachigen Leser des Blogs interessant sein.

Also lasst mich mit etwas Geschichte beginnen. Laut der ehemaligen Vereinigung der britischen Community Development Trusts (DTA – heute namens Locality) existierten vor wenigen Jahren ca. 500 solcher Organisationen im Vereinigten Königreich. Ihre historischen Ursprünge liegen bereits ca. 140 Jahre zurück im Kern der sozialreformerischen Bewegung des „Settlement Movement“, welche den Grundstein der Gemeinwesenarbeit als Antwort zur industrialisierungsbedingten Armut legte. Während des 20. Jahrhunderts konnten durch diese Bewegung die Prinzipien des sozialen Wohlfahrtstaats verankert werden: universale Bildung, Gesundheitsversorgung sowie angemessener Wohnbau und rechtliche Unterstützung für das breite Volk (Locality, 2018).

„Development Trusts“ so wie man sie heute kennt, sind aber ein relativ neues Phänomen, welche in den letzten 40 Jahren unter verschiedenen Rahmenbedingungen gewachsen sind. Im Vergleich zu den klassischen Organisationen des Freiwilligensektors fokussierten die Community Development Trusts auf bestimmte Aktivitäten der Wirtschaftsförderung und auf den Bau und die Verwaltung von Gemeindezentren und Wohnimmobilien. Die Pioniere unter den Trusts wurden im Vereinigten Königreich durch Aktivisten in den 70er Jahren gegründet, die über die klassische Kampagnenführung hinaus, auch Immobilien und andere Vermögenswerte für lokale Gemeinschaften zurückeroberten. Dank vermehrter Einstellung professionellen und nicht mehr ehrenamtlichen Personals, konnten sich diese Organisationsformen weiterentwickeln und sich im lokalen sowie regionalen Kontext behaupten.

Während der späten 80er Jahre und frühen 90er Jahre wurden existierende Trusts durch die amtierenden Regierungen finanziell unterstützt sowie neue Gründungen forciert. Bereits Ende der 90er Jahre waren Development Trusts als Partnerschaften für lokale Entwicklung, wichtige Bestandteile für die Umsetzung von Programmen urbaner und ruraler Erneuerung (partnerships.org, 2018).

So wie die ehemalige „Development Trusts Association“ einführend erläutert:

„Da Development Trusts auf lokale Bedürfnisse reagieren, können keine zwei gleichartig sein. Weil diese erkannt haben, dass eine Gemeinschaft (wie eine Nachbarschaft, ein Quartier, eine Kleinstadt oder ein Dorf) zu regenerieren, einen integrierten und ganzheitlichen Ansatz erfordert, sind sie in einem breiten Aktivitäten Spektrum involviert“.

Was bedeutet das genau? Ein Development Trust funktioniert eigentlich wie ein Betrieb. Sie sind gemeinwohlorientierte Unternehmen, die durch die örtliche Bevölkerung und ihre Organisationsformen (Vereine, Verbände, Ortsräte, etc.) vor Ort ins Leben gerufen und das Ziel haben, um nachhaltiger Entwicklung in ihrem Bezugsraum zu ermöglichen. Diese widmen sich einer breiten Palette ökonomischer, ökologischer und sozialer Themen. Ihre Rechts- und Gesellschaftsform ist meistens eine „Gesellschaft mit beschränkter Haftung auf die garantierte Einlage“, die Mitglieder statt Aktionäre hat und Profite reinvestiert anstatt sie auf die Anteilseigner zu verteilen. Zusätzlich erlangen diese den Gemeinnützigkeitsstatus, was zusätzlich zu steuerlichen Vorteilen auch ihre Integrität und Redlichkeit untermauert (partnerships.org, 2018).

Als unabhängige und gemeinnützige Organisationen sind sie der Beteiligung und Rechenschaft gegenüber der örtlichen Bevölkerung und Interessensgemeinschaften verpflichtet. Zudem sind sie Teil der Sozialunternehmen-Bewegung, was bedeutet, dass sie aus einer Verwurzelung in der Gemeinschaft heraus und in Zusammenarbeit mit dem freiwilligen, öffentlichen und privaten Sektor an Handelsgeschäften, wirtschaftsfördernden Maßnahmen sowie vielfältigen Dienstleistungen beteiligt sind (DTA Wales, 2018).

Ihre Ziele erreichen sie also dadurch, dass sie Profite aus der Verwaltung und Weiterentwicklung von zum Beispiel Immobilien, Land oder Betriebsanlagen im Sinne der Gemeinschaft schöpfen.

Die benannten Profite werden nicht privatisiert, sondern durch Reinvestition genutzt, um Wohlstand durch nachhaltige Projekte mit einer langfristigen Wirkung für das Gemeinwesen zu generieren.

Das Herzstück der Organisation ist im Endeffekt ein Team von Angestellten, die den verlängerten Arm der Trusts bilden. Diese erledigen die alltägliche und operative Arbeit, koordinieren die Entscheidungs- und Diskussionsgremien (gebildet durch sog. „Trustees“, ähnlich zu Vorstandsmitglieder), akquirieren Finanzmitteln und setzen Projekte um und interagieren mit einer breiten Palette an lokalen und regionalen Stakeholder Netzwerken wie beispielsweise andere Initiativen für lokale Entwicklung, örtliche und regionale Gruppen und Vereine, kommunale Verwaltung, kleine und mittlere Unternehmen, Forschungseinrichtungen, etc.

In meinen Augen tragen diese Organisationen – eigentlich, kleine Entwicklungsagenturen – in zweifacherweise Weise zur positiven Entwicklung von Dörfern, Nachbarschaften oder sonstigen formen lokaler Gemeinschaften bei. Durch eine Kombination von Nähe an die Bedürfnisse der Gemeinschaft und ihre Verfassung als Unternehmen können sie Zielgenau anhand von dynamisierenden und auch langfristig wirtschaftlich tragfähigen Maßnahmen und Projekten deren Lebensqualität und Entwicklungsperspektiven verbessern. Somit schaffen sie einerseits konkrete positive Ergebnisse für die Gemeinschaft und ihren Bezugsraum.

Ⓡ Locality 2018

Andererseits ist die Art und Weise ihrer Arbeit als Entwicklungsagenturen ein Wert an sich. Die Organisationsform der Community Development Trust kann einen wichtigen Beitrag zur Vertiefung in lokaler und regionalen Governance leisten.

Durch ihre netzwerkartige Arbeitsweise, ihre Verankerung in der örtlichen Graswurzelbewegung und ihre unternehmerische Denkweise sind sie in einer besonderen Lage, um Gemeinschaftspotentiale vor Ort freizusetzen.

In diesem Zusammenhang ließe sich noch einiges über die Konflikte, Risiken und Herausforderungen dieser Organisationen auf dem Weg zu legitimierten Plattformen für lokale und regionale Entwicklung schreiben. Aber ich möchte eure Aufmerksamkeit nicht überstrapazieren! Ich hoffe ich konnte eine grobe Vorstellung vermitteln, wie ein Community Development Trust dazu beitragen kann, dass eine Dorfgemeinschaft die Zügel ihrer Entwicklung in der Hand hält. Ich würde gerne weiter das Thema vertiefen, was ich aber dann in dem zweiten Post dieser Reihe am Beispiel meiner Partnerorganisation – die „Glendale Gateway Trust“ – machen möchte.

Wenn ihr noch Fragen und Kommentare habt, freue ich mich diese direkt im Blog oder in sozialen Netzwerken zu beantworten. Diese Woche werde ich auf der OECD Konferenz für ländliche Entwicklung in Edinburgh sein, worüber ich sicher in diesem Blog noch berichten werde. Also, bis dahin!

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